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Private Unfallversicherung: Sprunggelenksverletzung

13.12.2016

Der 1973 geborene Facharbeiter unterhielt eine Private Unfallversicherung. Versichert war unter anderem eine Invaliditätsgrundsumme von 87.500 Euro mit einer Progressionsstaffel 500 % Plus. Zugrunde lagen die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen MultiPlusmaximo (AUB-MPM 2009) sowie die Klauseln für die Unfallversicherung MultiPlusmaximo der Versicherung.

Mit Unfallanzeige vom 16.10.2013 zeigte der Mandant an, er habe am 28.10.2012 gegen 23.00 Uhr einen Unfall am Arbeitsplatz erlitten. Er sei auf einer Rollenschiene ausgerutscht und mit dem linken Sprunggelenk umgeknickt. Laut Arztbericht wurde er am 05.11.2012 erstmalig behandelt mit dem Befund: Das linke Sprunggelenk sei schmerzhaft geschwollen, über der Achillessehne befinde sich eine druckschmerzhafte Schwellung, die Bewegungen seien möglich, aber endgradig schmerzhaft. Es wurde die Diagnose Sprunggelenksdistorsion erhoben, der Mandant arbeitsunfähig geschrieben. Laut ärztlicher Feststellung vom 27.02.2014 ist infolge der schweren Sprunggelenksdistorsion vom 28.10.2012 ein Dauerschaden im linken Sprunggelenk in Form von Schmerzen und Bewegungs- und Belastungsstörungen eingetreten.

Der Mandant hatte behauptet, er leide seit dem Unfall an einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung beim Heben und Senken des Fußes sowie bei seitlichen und kreisenden Bewegungen. Die Achillessehne sei stark schmerzhaft seit dem Unfall angeschwollen. Gehstrecken seien nur zwischen 200 - 300 m am Stück möglich. Er benötige morgens eine lange Anlaufphase, um den Fuß belasten zu können. Nachts leide er unter einem starken Ruheschmerz. Er müsse orthopädisches Schuhwerk tragen. Die Versicherung berief sich auf eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung wegen der verspäteten Schadensanzeige. Es habe zu 100 % die am linken Sprunggelenk bestehende Vorschädigung bei den Folgen des Unfalles mitgewirkt. Es komme allenfalls ein Gliedertaxenwert in Höhe von 50 % für den Fußwert in Betracht.

Das Landgericht hat nach Anhörung des Klägers, der Vernehmung zweier Arbeitskollegen und nach Einholung eines Sachverständigengutachtens der Klage stattgegeben. Er habe am 28.10.2012 am Arbeitsplatz einen Unfall erlitten, als er durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper einwirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erlitten habe (Ziffer 1.3.1 AUB-MPM 2009, § 178 Abs. 2 VVG).

Die Gesundheitsschädigung sei plötzlich gewesen, weil er mit dem linken Fuß im Papierrollenkeller umgeknickt sei. Er habe die Verletzung am linken Sprunggelenk nicht durch eine ungeschickte Eigenbewegung, sondern durch ein Stolpern über eine dort im Boden eingelassene Schiene erlitten, so dass die Gesundheitsschädigung auch von außen eingetreten sei. Das ergäbe sich aus den glaubhaften Angaben des Klägers, die zum Randgeschehen von den beiden Zeugen bestätigt worden seien. Auch der Sachverständige habe ausgeführt, dass der vom Kläger geschilderte Unfallhergang mit den Verletzungen, nämlich dem Distorsionstrauma am linken Sprunggelenk, vereinbar sei. Für einen abweichenden Schadensablauf gäbe es keine Anhaltspunkte.

Dass er nach dem Unfall weiter gearbeitet und erst am 05.11.2012 einen Arzt aufgesucht hätte, stehe dem Unfall nicht entgegen. Es sei unter den Kollegen üblich gewesen, sich wegen des Personalmangels erst krankschreiben zu lassen, wenn es gar nicht mehr anders ginge. Dementsprechend habe auch der Sachverständige ausgeführt, dass viele Patienten ein Distorsionstrauma zunächst in Eigenregie behandeln würden, etwa mit Salben und Schmerztabletten. Erst dann, wenn die Beschwerden sich verschlimmern würden, suchten viele einen Arzt auf.

Der Sachverständige habe bestätigt, dass der Kläger unfallbedingt eine dauernde Funktionsbeeinträchtigung am linken Sprunggelenk erlitten habe. Es sei zu einer AußenbandteilRuptur mit Kontusion zwischen der inneren Sprungbeinkante und der Innenfläche des Innenknöchels gekommen. Diese seien erst mit einer CT im November 2013 festgestellt worden. Es könne somit nur mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass sie Folge des Unfalles aus Oktober 2012 seien. Der Kläger habe jedoch in der Zwischenzeit keinen Unfall geschildert und sei auch wegen eines weiteren Unfalles nicht in ärztlicher Behandlung gewesen. Dieser Zustand bestehe jedenfalls seit Feststellung des Defektes im November 2013 dauerhaft, da ein folgenloses Ausheilen dieser Schäden nicht mehr möglich sei. Es sei erklärlich, dass die Sprunggelenksdistorsion erst im weiteren Verlauf zu erheblichen Beschwerden entsprechend dem Erscheinungsbild einer Osteochondrosis dissecans geführt habe.

Die Höhe der Invaliditätsleistung bemesse sich nach der verbesserten Gliedertaxe nach einem Fußwert von 70 %. Aus dem Ersatzversicherungsschein ergäbe sich gerade nicht, dass die Klauseln für die Unfallversicherung MultiPlusmaximo (AU-MPM 2009) nicht vollumfänglich Vertragsbestand seien. Die Klauseln seien unter dem Stichwort "Ihre Vertragsgrundlagen Unfallversicherung" in vollem Umfang zitiert. Es sei gerade keine Einschränkung auf einzelne Klauseln ersichtlich. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer könne die Einschränkung auf Seite 12 der Versicherungsbedingungen "jede dieser Klauseln ist nur dann Vertragsbestandteil, wenn sie im Versicherungsschein, in dessen Nachträgen bzw. Deckungskonzept ausdrücklich als vereinbart aufgeführt ist" nur so verstehen, dass die Klauseln in vollem Umfang Vertragsgrundlage seien. Sie seien als Vertragsgrundlage auf dem Versicherungsschein genannt, zumal sich zum Deckungskonzept Basis keine näheren Erläuterungen im Versicherungsschein befänden.

Der Sachverständige habe ausgeführt, dass degenerative Verschleißzustände am linken Sprunggelenk bestünden, die das normale Maß altersbedingter Verschleißzustände überschreiten würden.

Diese nicht altersbedingten Verschleißzustände hätten aber bei der Bemessung des Fußwertes unberücksichtigt zu bleiben, da sie 50 % nicht überstiegen. Gemäß der Klausel AU029 unterbleibe die Minderung bei einem Mitwirkungsanteil von Krankheiten oder Gebrechen von bis zu 50 % abweichend von Ziffer 3 AUB-MPM 2009. Dem Kläger stehe eine Leistung von 3/10 Fußwert gegen die Beklagte zu.

Der Versicherung sei es verwehrt, sich auf eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung wegen der verspäteten Schadensanzeige zu berufen. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger seinen Versicherungsschutz nicht gefährden wollte, indem er die Schadensanzeige verspätet abgereicht habe. Vielmehr hätte er erst nach Fertigung der Kernspintomographie Kenntnis von der Dauerhaftigkeit der Verletzung erhalten. Die zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichtes Rostock vom 19.02.2010 (5 U 197/09) sei zum VVG alter Fassung ergangen und nicht einschlägig. Der Kausalitätsgegenbeweis nach § 28 Abs. 3 VVG sei durch die Ausführungen des Sachverständigen, dass die dauernde Beeinträchtigung erst durch die Bildgebung festzustellen war, geführt.

(Wichtig: Der VN muss den Unfall, eine Gesundheitschädigung und den Zusammenhang zwischen Unfall und Gesundheitsschaden beweisen (OLG Düsseldorf r + s 2008, 80). Das Gericht kann allerdings unter Anwendung des Beweismaßstabes des § 286 ZPO durch Anhörung der Partei zur Überzeugung kommen, der Unfall sei nachgewiesen (BGH VersR 2011, 1171). Der Beweis kann auch dadurch geführt werden, dass die streitige Verletzung nur durch einen Unfall entstanden sein kann und der Ausschluss aller anderen Möglichkeitn gelingt oder aber Anhaltspunkte für andere Ursachen fehlen (vgl. OLG Hamm VersR 1995, 1181; OLG Saarbrücken ZfS 2010, 459).)

(Landgericht Dortmund, Urteil vom 14.09.2016, AZ: 2 O 42/15)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht

 

 
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