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Arbeitsunfall auch im Familienkreis

03.03.2017

Egal ob Hausfrau, Kind, Angestellter oder Selbständiger: Einen Arbeitsunfall nach § 7 Abs. 1 SGB VII kann jeder erleiden. Entscheidend ist allein, ob Sie sich bei einer sogenannten unfallbringenden Tätigkeit verletzt haben. Wird nach einem schweren Körperschaden der Unfall als Arbeitsunfall anerkannt, kann dieses für den Verletzten viele Vorteile haben. Er hat regelmäßig deutlich höhere Ansprüche auf Sozialleistungen. Das ist gerade dann wichtig, wenn der Unfallverursacher vermögenslos ist, nicht ermittelt werden kann oder mögliche Ersatzansprüche vor Gericht nicht bewiesen werden können. Auch bei einem Mitverschulden des Unfallopfers kann möglicherweise nur ein geringer Quotenanspruch gegenüber dem Schädiger bestehen. Für den Anspruch aus der gesetzlichen Unfallversicherung spielt das keine Rolle.

Mit Bescheid vom 26.07.2016 hat die Unfallkasse Baden-Württemberg einen privaten Unfall meiner Mandantin als Arbeitsunfall anerkannt.

Die 6-jährige Tochter der Angestellten hatte sich im Juni 2016 an einer Scheibe Schinken verschluckt und drohte zu ersticken. Mit dem sogenannten Heimlich-Griff drückte die Mandantin mit beiden Händen, nachdem sie die Arme um ihre Tochter von hinten gelegt hatte, auf eine Stelle am Oberbauch, um Druck im Brustbereich zu erzeugen. Durch dieses Heimlich-Manöver wurde der Schinken aus der Luftröhre herauskatapultiert. Ihre Tochter konnte wieder atmen und wurde gerettet. Während dieser Rettungsaktion wurde die Mandantin von dem eigenen Hund gebissen, der annahm, sie würde ihre eigene Tochter angreifen. Die Mandantin erlitt durch den Hundebiss im linken Unterarm eine Bisswunde, die sich entzündete und operativ saniert werden musste. Es dauerte mehrere Monate, bis die Wunde abgeheilt war, es folgten umfangreiche Arbeitsunfähigkeitszeiten.

Der Hundebiss während der Rettungstätigkeit war eine versicherte Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13 a SGB VII. Danach sind Personen versichert, die bei Unglücksfällen Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten. Rechtsgrundlage für die Anerkennung eines Arbeitsunfalles ist § 8 Abs. 1 SGB VII. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten bei einer dem Versicherungsschutz nach § 2 SGB VII begründenden Tätigkeit.

Unter Unfällen versteht das Gesetz zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Die Unfallkasse hat anerkannt, dass die Mandantin bei einem Unglücksfall Hilfe leistete und für die Tochter eine erhebliche gegenwärtige Gesundheitsgefahr vorlag, die das Leben bedrohte. Wäre sie nicht mit dem sogenannten Heimlich-Griff umgehend tätig geworden, wäre die Tochter erstickt. Der Unglücksfall sei auch zum Zeitpunkt der Rettungsaktion mit seinen unmittelbaren Schadensfolgen noch nicht abgeschlossen gewesen. Es hätte weiterer Schaden gedroht.

Während dieser Rettungsaktion sei sie durch ihren eigenen Hund in den linken Unterarm gebissen worden, da dieser die Rettung als Angriff auf die Tochter angesehen habe. Sie habe deshalb während der versicherten Tätigkeit nach § 2 SGB VII eine erhebliche Gesundheitsverletzung erlitten. Die Anwendung des Heimlich-Griffes bei ihrer Tochter sei zum Zeitpunkt des Unfalles der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Diese Verrichtung habe zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Hundebiss in den linken Unterarm geführt. Das Unfallereignis habe auch zu einem erheblichen Gesundheitsschaden geführt. Somit seien Leistungen nach §§ 26 ff. SGB VII zu gewähren.

Der Anwalt hat deshalb bei allen Unglücksfällen dringend zu prüfen, ob auch ein Arbeitsunfall vorliegt, weil der Mandant bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr Nothilfe geleistet hat. Wird ein Nothelfer bei der Nothilfe verletzt, ist er unfallversichert. Der Nothelfer ist auch unfallversichert, wenn die Nothilfe im Familienkreis geleistet wird. Voraussetzung ist eine akute Gefahrenlage, bei der ohne sofortiges Eingreifen eine erhebliche Schädigung von Personen oder bedeutenden Sachwerten droht (BSG, Urteil vom 13.09.2005, AZ: B 2 U 30/04 R).

Bei der Nothilfe stehen der Unfallversicherungsschutz und der Schadensersatzanspruch gegenüber dem Unfallverursacher nebeneinander. Damit kann das Unfallopfer einerseits Ansprüche gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung, andererseits gegenüber dem Unfallverursacher und deren Haftpflichtversicherung geltend machen.

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht

 

 
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