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Ansprüche des Tierarztes bei Verletzung durch Nutztier

23.01.2018

Grundsätzlich gilt: Derjenige, der sich einem Tier aus beruflichen Gründen im Interesse des Tierhalters und mit dessen Billigung helfend nähert, handelt in keiner Phase der Behandlung auf eigene Gefahr. Er setzt sich der Tiergefahr mit trifftigem Grund aus, wenn er seinen ärztlichen Auftrag und den Vertrag mit dem Tierhalter erfüllen will (BGH, Urteil vom 17.03.2009, AZ: VI ZR 166/08).

Das hat der Bundesgerichtshof für das Fiebermessen bei einem Pferd entschieden. Dabei war der Arzt von dem Pferd getreten und erheblich verletzt worden. Auch ein Hufschmied übernehme durch den Abschluss des Werkvertrages nicht die Gefahr einer Verletzung durch das Tier. Es entspräche weder der Interessenslage noch Treu und Glauben, dass der Hufschmied die durch die Tiergefahr hervorgerufenen Schadensfolgen auf sich nehme, die das Gesetz dem Tierhalter als Urheber der Gefahr anlaste (BGH, Urteil vom 28.05.1968, AZ: VI ZR 35/67; BGH, Urteil vom 17.03.2009, AZ: VI ZR 166/08).

Die Tierhalters.html' title='Haftung des Tierhalters'>Haftung des Tierhalters kann allerdings ausgeschlossen sein, wenn ihm das Haftungsprivileg des § 105 Abs. 1 SGB VII zu Gute kommt. Das hat aktuell das Landgericht Oldenburg entschieden (LG Oldenburg, Urteil vom 02.11.2017, AZ: 3 O 1132/16).

Eine Tierärztin hatte bei einem Milchbauern eine Blutprobe aus der Schwanzvene eines Rindes entnommen. Dabei assistierte ihr der Bauer. Er erhielt von der Tierärztin ein Klemmbrett mit Klebestreifen, mit denen er die ihm jeweils übergebenen Blutröhrchen versehen und anschließend verpacken sollte. Während der Blutabnahme trat eine Kuh aus und traf das Knie der Klägerin, die hierdurch erheblichst verletzt wurde. Der Unfall wurde von der zuständigen Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall gemäß § 8 Abs. 1, 2 Nr. 1 SGB VII bestandskräftig anerkannt.

Im Zivilprozess klagte die Ärztin gegenüber dem Bauer auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung, dass dieser alle Schäden aus dem Tierunfall übernehmen solle. Neben seiner assistierenden Tätigkeit habe der Landwirt wirtschaftliche Eigeninteressen verfolgt, weil er ohne die Blutproben keine Tiere verkaufen könne. § 105 Abs. 12 SGB VII sei deshalb nicht einschlägig. Hätte er die Kuh ordnungsgemäß gesichert, hätte diese nicht austreten können. Der Bauer hat sich auf die Haftungsprivilegierung des § 105 Abs. 1 SGB VII berufen, da er wie ein "Wie-Beschäftigter" im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB VII während des Unfalles tätig geworden sei.

Die Kammer hat den Anspruch der Ärztin auf Schadensersatz nach § 833 BGB abgewiesen, weil das Haftungsprivileg des § 105 Abs. 1 SGB VII eingreife. Der Landwirt sei wie ein Beschäftigter im Sinne des § 2 Nr. 1 SBG VII zu behandeln, da er unstreitig eine Hilfstätigkeit für die Tierärztin vorgenommen habe. Es genüge, dass die einen Personenschaden verursachende Tätigkeit wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geleisteten Arbeit hinsichtlich des Unfallversicherungsschutzes die Gleichstellung mit einem in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer rechtfertige (OLG Hamm, AZ: 6 U 14/02, Rdn. 16 ff.).

Versicherte Verrichtung sei die tierärztliche Tätigkeit mit allen zugehörigen Helferleistungen, wozu auch die Kennzeichnung der Blutproben der Kühe gehöre. Entscheidend aber sei: Der Unfall sei zu Gunsten der Klägerin durch bestandskräftigen Bescheid der zuständigen Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall anerkannt worden.

An diesen bestandskräftigen Bescheid der Berufsgenossenschaft seien die Zivilgerichte gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII gebunden (vgl. BGH, Urteil vom 30.04.2013, NJW 2013, Rdn. 2031).

Das Haftungsprivileg des Landwirtes entfalle auch nicht deshalb, weil dieser im Zusammenhang mit seinen eigenen Kühen tätig geworden sei. Es handele sich nicht um eine eigenwirtschaftliche oder privatnützige Tätigkeit. Darunter würden nur Verrichtungen gefasst, die jeder Mensch unabhängig von der versicherten Tätigkeit ausübe. Die Tierärztin habe sich im Stall des Bauern nicht auf eigene Veranlassung zur allgemeintierärztlichen Behandlung, sondern aus Gründen des staatlich angeordneten Seuchenschutzes befunden.

(LG Oldenburg, Urteil vom 24.11.2017, AZ: 3 O 1132/16)

 
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