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Aktuelles zur Aufklärung des Patienten

28.02.2012

Klärt der Arzt vor dem Eingriff nicht ordnungsgemäß über die Chancen und Risiken auf, kann der Patient nicht wirksam in die Operation oder die Behandlung einwilligen. Das Fehlen dieser Einwilligung oder deren Unwirksamkeit ist aber eine Verletzung des Behandlungsvertrages und lässt den Arzt sowohl aus § 280 Abs. 1 BGB als auch §§ 823 Abs. 1, 2, 839 Abs. 1 BGB haften (BGH NJW 1989, 1538; OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 1331, (1332)).

Fest steht zunächst, dass Sie nicht über alle möglichen Risiken genauestens in allen Einzelheiten informiert werden müssen. Es reicht, wenn Ihnen der Arzt ein allgemeines Bild von der Schwere und Richtung des Risikospektrums dargelegt. Das heißt: Ihnen muss lediglich die sogenannte Stoßrichtung der Risiken verdeutlicht werden (BGH, MDR 2009, 281; Marties/Winkhardt, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl. 2009, A 512).

Es reicht also aus, wenn Ihnen eine zumindest ungefähre Vorstellung von den Risiken und deren Umfang vermittelt wird (OLG Frankfurt GesR 2009, 83).

Äußerst seltene Risiken muss der Arzt ansprechen, wenn das Risiko bei Eintritt Ihr Leben schwer belasten würde und die entsprechenden Risiken trotz ihrer Seltenheit für die Operation spezifisch, für Sie als Laien aber überraschend sind (BGH MDR 2007, 401; OLG Köln VersR 2008, 1072).

Grundsätzlich ist es für die Rechtsprechung aber ausreichend, wenn Ihnen das schwerste, möglicherweise in Betracht kommende Risiko, vermittelt und dargestellt wird (OLG Dresden VersR 2003, 1257; Martis, Aktuelle Entwicklung im Arzthaftungsrecht - Die Aufklärung des Patienten, MDR 2009, 611).

Weist also der Gynäkologe vor dem operativen Eingriff zur Entfernung einer Vaginalzyste und einer Rectocele darauf hin, dass er bei diesem Eingriff "in den Darm schneiden könne", ist von dieser Aufklärung auch eine Schädigung der Rektumwand und das Entstehen einer Darm-Scheiden-Fistel mit nachfolgenden Thrombosen und Embolien mit erfasst (OLG Koblenz OLGReport Koblenz 2008, 178 f). Ebenso soll der Hinweis auf die Möglichkeit von Entzündungen und die Schädigung des Innenohrs im Rahmen einer Ohroperation auch das Auftreten einer chronischen Mittelohrentzündung mit nachfolgender Hörminderung mit umfassen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.12.2008 - 7 U 32/08).

Andererseits soll der Hinweis auf das Risiko möglicher Nervenschädigungen, Gefühlsstörungen und Muskelfunktionsstörungen nicht genügen, wenn es bei einer offenen Biopsie eines Brustwirbelkörpers zum Eintritt einer vorübergehenden Lähmung kommen kann (OLG Naumburg, MDR 2008, 26; Martis a.a.O., Seite 611).

Sie müssen weiterhin darauf hingewiesen werden, dass die Operation oder der diagnostische Eingriff nur relativ indiziert ist, weil die Erforderlichkeit von Ihrem Sicherheitsbedürfnis abhängt (OLG Bremen VersR 2004, 911).

Hat etwa eine nicht unter wesentlichen Beschwerden leidende Patientin in eine operative laparoskopische Entfernung eines Teils einer Zyste im Bereich des Eierstocks zum Zweck der Diagnostik eingewilligt, wurde aber während der Operation die vorgefundene Endometriosezyste, einschließlich sämtlicher intraoperativ angetroffener Endometrioseherde entfernt, handelt es sich jedenfalls dem Umfang nach um einen rechtswidrigen Eingriff des Arztes. Führt dieser Eingriff dann zu einer Verletzung des Harnleiters, muss der Arzt beweisen, dass diese Verletzung auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten - also bei Durchführung der geringfügigeren Operation - eingetreten wäre, wenn der gerichtliche Sachverständige ausführt, der Harnleiter wäre unverletzt geblieben wenn lediglich ein Teil der Zyste zum Teil der Diagnostik entfernt worden wäre (OLG Köln MedR 2008, 599, (601); Martis, a.a.O., Seite 611).

Besonders kosmetische Operationen, die medizinisch nicht indiziert sind, müssen vorher besonders besprochen werden. So ist über die Erfolgsaussichten und Risiken besonders sorgfältig, umfassend und ggf. schonungslos aufzuklären (OLG Düsseldorf VersR 2003, 1579; OLG Hamm VersR 2006, 1511: Hinreichend drastische und schonungslose Aufklärung).

Bei einer Fettabsaugung ist eine Patientin eindringlich darüber zu belehren, dass bei großflächigen Fettabsaugungen unregelmäßige Konturen (Dellen) entstehen können und der gewünschte Erfolg nur durch weitere operative Maßnahmen in Form einer Haut- und Bauchdeckenstraffung erreicht werden kann (OLG Düsseldorf VersR 2003, 1579).

Das Risiko lebenslanger Schmerzen bei implantatsbedingten Brustmuskelüberdehnungen mit der Erklärung, es könne nach der Operation zu "verstärkten Schmerzen" oder "wie bei Sportlern zu längerfristigen Schmerzen" kommen, reicht nicht aus, da nicht hinreichend drastisch und schonungslos dargestellt (OLG Hamm VersR 2006, 1511 f.).

Der Arzt muss aber vor einer Brustvergrößerung nicht ungefragt darüber aufklären, dass die Wundheilungsstörungen bei Rauchern im statistischen Durchschnitt häufiger sind als bei Nichtrauchern (OLG Naumburg MDR 2009, 206; Martis, a.a.O., 612).

Was aber, wenn mehrere Behandlungsmethoden zur Beseitigung des Leidens zur Verfügung stehen?

Wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen, die zu jeweils wesentlich unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen haben, muss der Arzt diese verschiedenen Behandlungsmethoden oder Operationstechniken erläutern (BGH MDR 2007, 1131).

Wenn also durch eine konservative Behandlung (Gips, Ruhigstellung, Krankengymnastik) eine Operation vermieden werden kann oder die Operation erst nach erfolgloser konservativer Behandlung indiziert ist, hat der Patient eine echte Wahlmöglichkeit. Ihm sind dann die gleichwertigen Chancen und andersartigen Risiken umfassend vom Arzt darzustellen (OLG Braunschweig OLGReport Braunschweig 2008, 442; OLG Hamm VersR 2005, 942 f).

Gerade bei einer Krankenhausbehandlung stellt sich die Frage, welcher Arzt den Patienten überhaupt aufzuklären hat. Grundsätzlich ist jeder behandelnde Arzt verpflichtet, den Patienten über die von ihm übernommenen Behandlungsaufgaben aufzuklären (BGH MDR 2007, 523).

Deshalb kann sich der Operateur nicht ohne Weiteres darauf verlassen, dass in den von einem Kollegen vorgenommenen Aufklärungsgespräch auch eine ausreichende Information über gravierende Risiken, etwa über eine Querschnittslähmung oder eine Falschgelenksbildung (Pseudoarthrose), erfolgt ist (BGH MDR 2007, 401).

Wenn sich also aus dem Aufklärungsbogen für den Operateur ergibt, dass sein Kollege große Risiken nicht angesprochen hat, muss er die Aufklärung rechtzeitig, spätestens am Vortag der Operation, vervollständigen (BGH MDR 2007, 401).

Allerdings müssen aufklärender Arzt und Operateur nicht identisch sein. Voraussetzung ist aber, dass der aufklärende Arzt ausreichend mit den medizinischen Einzelheiten vertraut ist und für die Aufklärung die erforderliche medizinische Qualifikation besitzt (OLG Karlsruhe OLGReport Karlsruhe 2006, 617, (619)).

Hat der Arzt den Patienten überhaupt nicht, unvollständig oder nicht rechtzeitig vor dem Eingriff aufgeklärt, führt dies grundsätzlich zur Haftung. Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Arzt beweisen kann, dass der Patient auch bei richtiger Aufklärung in den konkreten, gerade durch den betreffenden Arzt bzw. in der betreffenden Abteilung des Krankenhauses vorgenommenen Eingriff eingewilligt hätte (BGH MDR 2007, 1017).

Wenn sich der Behandler auf diese Hypothetische Einwilligung im Prozess beruft, muss der Patient dringend über seinen Anwalt reagieren: Der Patient muss jetzt vortragen und unter Beweis stellen, dass er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung (die tatsächlich nicht stattgefunden hat) in einem ernsthaften Entscheidungskonflikt befunden hätte, ob er den Eingriff durchführen lassen sollte oder nicht (BGH MDR 2009, 281).

Ob dieser Einwand des ernsthaften Entscheidungskonfliktes plausibel und schlüssig ist, muss das Gericht regelmäßig im Rahmen einer persönlichen Anhörung des Patienten in der mündlichen Verhandlung feststellen (BGH MDR 2005, 865).

Wenn nach dieser Anhörung durch das Gericht nicht auszuschließen ist, dass sich der Patient aus nachvollziehbaren Gründen für die Ablehnung der Behandlung entschieden hätte, hat der Patient bereits den echten Entscheidungskonflikt dargelegt (BGH MDR 2007, 1017).

In diesem Falle haftet der Arzt weiterhin. Ein ernsthafter Entscheidungskonflikt ist immer dann anzunehmen, wenn der Patient nicht über erhebliche Nebenwirkungen eines Medikaments (Schilddrüsenfunktionsstörung, schwere Lungenerkrankung, Leberschäden, Neuropathien, Myopathien, Herzstillstand) zur Behandlung einer Herzarythmie aufgeklärt worden ist. Hier liegt nach dem Bundesgerichtshof ein ernsthafter Entscheidungskonflikt auf der Hand (BGH MDR 2007, 1017; Martis, a.a.O, 615).

Wenn feststeht, dass der Arzt nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig aufgeklärt hat, muss der Patient darlegen und beweisen, dass sein Gesundheitsschaden auf derjenigen Behandlung beruht, die mangels ordnungsgemäßer Aufklärung rechtswidrig gewesen ist (BGH NJW 2008, 2344).

Wenn der Sachverständige den Grad der Wahrscheinlichkeit mit 90 % angibt, reicht dies für die Annahme des Kausalzusammenhangs regelmäßig aus (OLG Köln OLGReport Köln 2008, 769, (771)).

Wenn die Aufklärung und der Inhalt streitig ist, kann der Arzt den Beweis nicht allein mit der Hilfe des Aufklärungsbogens oder der Eintragung in seiner Patientenkartei führen. Im Zweifel neigt jedoch die Rechtsprechung dazu, den Angaben des Arztes über eine erfolgte RisikoAufklärung zu glauben, wenn er das Gespräch in sich schlüssig schildert und der Arzt einigen Beweis für ein Aufklärungsgespräch erbringt (BGH MDR 1985, 923).

Das soll regelmäßig der Fall sein, wenn sich der Arzt zwar nicht an das konkrete Aufklärungsgespräch erinnern kann, sich aber sicher ist, ein derartiges Risiko bei Aufklärungsgesprächen stets zu erwähnen und der Patient einen Aufklärungsbogen unterzeichnet hat, in dem dieses Risiko, das sich realisiert hat, auch genannt worden ist (OLG Düsseldorf OLGReport Düsseldorf 2006, 12, (14)).

Wenn der Arzt an das Gespräch aber keine Erinnerung mehr hat und das Aufklärungspflichtige Risiko sich auch nicht in den Behandlungsunterlagen oder dem Aufklärungsbogen wieder findet, hat der Arzt den von ihm zu führenden Nachweis der ordnungsgemäßen Aufklärung regelmäßig nicht erbracht (OLG Koblenz MDR 2005, 292).

Damit ist es für Sie als Patient wichtig, ohne Scheu und Angst beim Arzt nachzufragen, wenn Sie etwas vor einer Operation nicht verstanden haben.

Stellen Sie den Arzt zur Rede, schildern Sie Ihre Befürchtungen und unterschreiben den Aufklärungsbogen erst, wenn Sie wirklich der Ansicht sind, alles verstanden zu haben. Sind Ihnen Fachbegriffe nicht klar, haben Sie eventuelle Risiken nicht verstanden, ist es ebenfalls wichtig, den Arzt zur Rede zu stellen. Aus den oben genannten Urteilen ergibt sich, dass der Arzt verpflichtet ist, Ihnen zu helfen, auch wenn im Krankenhausbetrieb regelmäßig wenig Zeit für ein derartiges umfassendes Aufklärungsgespräch besteht.

Sollten Sie weiterhin Zweifel oder ein ungutes Gefühl haben, gilt folgender Rat: Unterschreiben Sie den Aufklärungsbogen zunächst nicht und bitten um Bedenkzeit. Sollten Ihnen nach dieser Bedenkzeit immer noch Zweifel kommen, sagen Sie die Operation ab. Das können Sie jederzeit, ohne dass Ersatzansprüche auf Sie zukommen. In diesem Falle sollten Sie sich lieber in einem anderen Krankenhaus eine zweite Meinung einholen. Sie sollten sich insbesondere darüber informieren, wie oft der Operateur den jeweiligen Eingriff, der bei Ihnen durchgeführt werden soll, überhaupt schon gemacht hat.

Das Argument, die Klinik befände sich in der Nähe Ihres Wohnortes, so dass Sie von Verwandten auch jederzeit besucht werden können, ist im Rahmen der heutigen Spezialisierung der verschiedenen Krankenhäuser kein Argument mehr. Erst nach ausführlicher Beratung und Einholung einer zweiten Meinung sollten Sie sich, um unangenehmen Überraschungen zu entgehen, zur Durchführung einer Operation oder Behandlung entschließen.

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht

 
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