Tod durch Nussallergie: Unfallversicherung muss zahlen
05.06.2014
Dem ist der BGH entgegengetreten: Sowohl § 178 Abs. 2 Satz 1 VVG als auch Nr. 1.3 GUB 99 würden einen Unfall annehmen, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleide. Ein von außen auf den Körper wirkendes Ereignis läge darin, dass die Schokolade im Mund in Kontakt mit der Mundschleimhaut des Kindes kam. Ein Unmittelbarkeitserfordernis, wonach bei einem zum Tode oder sonstigen Schaden führenden Geschehen lediglich auf die zuletzt innerhalb des Körpers des Unfallopfers unmittelbar wirkende Ursache abzustellen wäre, enthielte die Definition des Unfallbegriffes nicht (vgl. BGH NJW 1962, 914). Es sei deshalb auf das Ereignis abzustellen, welches von außen auf den Körper einwirke und damit eine Kausalkette körperinterner Vorgänge in Lauf setze, das zur Schädigung der versicherten Person führe. Das schädigende Ereignis geschah auch plötzlich, weil der Kontakt des Allergens mit der Mundschleimhaut nur kurze Zeit dauerte. Die allergische Reaktion trat nicht allmählich, sondern im unmittelbaren Anschluss an die Zuführung des Allergens ein, wonach die zeitliche Komponente des Unfallbegriffs erfüllt sei. Ob das Geschehen überraschend und unentrinnbar eintrat, wäre nicht entscheidend (BGH, Urteil vom 16.10.2013, AZ: VI ZR 390/12). Das Kind habe die tödliche Schädigung unfreiwillig erlitten. Das Merkmal der Unfreiwilligkeit beziehe sich nach dem klaren Wortlaut des § 178 Abs. 2 Satz 1 VVG als auch nach Nr. 1.3 GUB 99 nicht auf das von außen wirkende Unfallereignis als solches, sondern lediglich auf die daraus folgende Gesundheitsschädigung. Unfreiwilligkeit wird gemäß § 178 Abs. 2 Satz 2 VVG bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, d.h. der Versicherer muss den Beweis für eine behauptete freiwillige Gesundheitsschädigung führen. Auch wenn das Kind bewusst die Schokolade gegessen habe, belege dies nicht die freiwillige Herbeiführung der tödlichen allergischen Reaktion. Der Unfall sei auch ursächlich für den Tod des Kindes gewesen. Aufgrund der Verbreitung von Allergien in der Bevölkerung sei es weder ungewöhnlich, dass versicherte Personen einer Unfallversicherung an Nahrungsmittelallergien leiden könnten, noch liege es außer der Lebenserfahrung, dass die Aufnahme allergener Stoffe bei Vorliegen einer Nahrungsmittelallergie zu schwersten bis tödlichen allergischen Reaktionen führen könne. Die Eltern des verstorbenen Kindes müssten eine Kürzung der Versicherungsleistung nach Nr. 3 GB 99 hinnehmen, weil die Nahrungsmittelallergie der verstorbenen VN Krankheit und Gebrechen im Sinne der Klausel sei. Ein Gebrechen sei ein dauernder abnormer Gesundheitszustand, der eine einwandfreie Ausübung normaler Körperfunktionen nicht mehr zulasse (BGH r + s 2009, 423, Rdn. 14). Die Nussallergie läge aufgrund ihrer außergewöhnlichen individuellen Ausprägung in jedem Fall außerhalb jeder medizinischer Norm. (BGH, Urteil vom 23.10.2013, AZ: VI ZR 98/12) Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht |