Damit steht fest: Nach einem Verkehrsunfall hat die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers dem geschädigten Unfallopfer eine eindeutige schriftliche Bestätigung zu übersenden, dass sie mit der Wirkung eines rechtskräftigen Feststellungsurteiles für die unfallbedingten immateriellen und materiellen Schäden eintritt. Nur so sind Sie als Unfallopfer davor geschützt, dass sich die Versicherung nicht zu einem späteren Zeitpunkt auf eine andere Haftungsquote oder aber schlimmstenfalls auf Verjährung Ihrer berechtigten Ansprüche beruft.
Der 1963 geborene Angestellte wurde als Radfahrer bei einem Verkehrsunfall im Jahre 2016 schwer verletzt. Eine Autofahrerin hatte ihm die Vorfahrt genommen. Er war mit seinem Rad in die Seite des Autos hineingefahren und wurde über den PKW geschleudert. Durch den Aufprall auf den Asphalt erlitt er u.a. einen Kieferbruch, eine Verletzung an der Wirbelsäule und eine schwere Schulterverletzung. Ein Gutachten hatte ergeben, dass er keine Chance hatte, den Unfal zu vermeiden. Unfallhergang, Unfallfolgen sowie das Verschulden der Autofahrerin waren grundsätzlich unstreitig. Im Januar 2017 habe ich die Versicherung aufgefordert, schriftlich zu bestätigen, dass die Versicherung 100 % der verursachten Schäden übernimmt. Im August 2018 habe ich nach Akteneinsicht in die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte die Versicherung erneut aufgefordert, die Haftung zu 100 % anzuerkennen und folgende Erklärung unterzeichnet zurückzusenden:
"Mit der Wirkung eines am ... rechtskräftigen Feststellungsurteiles wird von der ...-Versicherungs AG anerkannt, Herrn ... den unfallbedingten zukünftigen materiellen/immateriellen Schaden/Verdienstausfall ab dem ... aus dem Unfall vom ... unter Zugrundelegung einer vereinbarten Haftungsquote von 100 % zu Lasten der .. Versicherungs AG und seiner mitversicherten Personen zu erstatten, soweit Forderungsübergang auf Drittleistungsträger nicht stattgefunden hat."
Die Versicherung lehnte ab und verwies auf eine noch durchzuführende medizinische Nachuntersuchung meines Mandanten zu den Folgen des Unfalles. Danach wolle sie den Zukunftsschadensvorbehalt prüfen und verzichtete lediglich bis zum 31.12.2019 auf die Einrede der Verjährung. Nach Ablauf einer weiteren Frist habe ich Feststellungsklage vor dem Landgericht Dortmund erhoben. Ich habe beantragt festzustellen, dass die Versicherung und die Autofahrerin verpflichtet sind, als Gesamtschuldner meinem Mandanten zu 100 % sämtliche materiellen und immateriellen Ansprüche aufgrund des Verkehrsunfalles zu ersetzen.
Nachdem die Klage der Versicherung zugestellt worden war, übersandte sie mir folgendes Schreiben:
"Wie bereits mitgeteilt, bestätigen wir die Haftung für das Unfallereignis am ... Mithaftungseinwände werden nicht erhoben. Verjährungsverzicht wurde erklärt. Von einem unnötigen Klageverfahren bitten wir Abstand zu nehmen." Diese Erklärung reichte mir nicht aus, weil sie zu unbestimmt war. Die Ansprüche des Mandanten wären dadurch nicht gegen Verjährung gesichert worden.
Im Dezember 2018 erklärte die Versicherung während des Prozesses in einem gesonderten Schreiben:
"... in vorbezeichneter Angelegenheit erklären wir hinsichtlich sämtlicher zukünftiger materieller sowie immaterieller Ansprüche des Herrn ... aus dem Unfallereignis vom ... einen Verjährungsverzicht mit Wirkung eines rechtskräftigen Feststellungsurteils. Eine Prüfung der Unfallbedingtheit bleibt vorbehalten. Die Haftungsquote dem Grunde nach beträgt 100 % zu unseren Lasten. ..."
Ich habe die Ansicht vertreten, mein Mandant habe trotz dieser Bestätigung der Versicherung weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellungsklage. Die nach Erhebung der Klage von der Versicherung abgegebenen Erklärungen würden nicht ausreichen, um die Rechte meines Mandanten auf Dauer zu schützen. Das Landgericht Dortmund hat meine Klage abgewiesen, weil die Erklärung der Versicherung ausreichend sei. Damit wären die Ansprüche meines Mandanten ausreichend geschützt.
Ich habe gegen das Urteil Berufung eingelegt mit der Begründung, die Versicherung habe nur einen Verjährungsverzicht mit der Wirkung eines rechtskräftigen Feststellungsurteils abgegeben, ohne dass die Erklärung ein Datum der anzunehmenden Rechtskraft enthalte.
Das Oberlandesgericht Hamm hat das Urteil des Landgerichtes Dortmund aufgehoben und mir und meinem Mandanten Recht gegeben: Die Versicherung und die Autofahrerin wurden verurteilt, die Erklärung zum Schutz meines Mandanten so abzugeben, wie ich es gefordert hatte. Sinn und Zweck der von mir geforderten Bestätigung sei es, die kurze Verjährung von drei Jahren und eine Feststellungsklage des Geschädigten in den Fällen zu vermeiden, in denen die Schuldfrage zwischen den Parteien unstreitig sei. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginne die Verjährung neu zu laufen mit Abgabe eines Anerkenntnisses. Werde dieses abgegeben mit der Intention, ein Klageverfahren zu vermeiden, handele es sich um ein titelersetzendes Anerkenntnis mit der Folge, dass daraus erwachsene Ansprüche nach 30 Jahren gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB verjährten (vgl. OLG Köln, Urteil vom 25.07.2016, AZ: 7 U 79/16, Rdn. 4, juris).
Um ein titelersetzendes Anerkenntnis wegen seiner weitreichenden Wirkung anzunehmen, sei der ausdrückliche Verjährungsverzicht und der Bezug auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil notwendig (BGH, Urteil vom 28.01.2003, AZ: VI ZR 263/02, Rdn. 20, 24, juris).
Die von der Versicherung gewählte Formulierung habe nicht sämtliche Unsicherheiten meines Mandanten hinsichtlich einer langfristigen Durchsetzung seiner Ansprüche beseitigt. Es fehle an der Benennung eines Datums, welches den Zeitpunkt der Rechtskraft eines Feststellungsurteiles ersetzen solle und mit dem deutlich wäre, dass sämtliche Ansprüche des Unfallopfers ab dem Unfallereignis von der Erklärung erfasst würden.
Der Senat in Hamm hat die Versicherung auch verurteilt, sämtliche Kosten des Klageverfahrens und meine außergerichtlichen Anwaltsgebühren zu tragen.
(OLG Hamm, Urteil vom 05.02.2020, AZ: I-31 U 99/19;
LG Dortmund, Urteil vom 19.07.2019, AZ: 21 O 373/18)
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