Geburtsschaden: Klinik haftet für Schaden persönlich
14.10.2024
Mit Urteil vom 30.11.2023 hat das Landgericht Dortmund bestätigt, dass ein Krankenhaus verpflichtet ist, meinem Mandanten alle durch die fehlerhafte Behandlung entstandenen immateriellen und materiellen Schäden zu 100 % zu ersetzen.
Der 2020 geborene Mandant wurde während der Entbindung fehlerhaft behandelt und erlitt eine schwere Hypoxie. Er ist schwerstbehindert. Ich hatte von der Haftpflichtversicherung des Krankenhauses außergerichtlich ein titelersetzendes Anerkenntnis mit der Wirkung eines gerichtlichen Feststellungsurteiles angefordert. Die Versicherung erteilte den Zukunftsschadensvorbehalt allerdings nur im Rahmen der Deckungssumme des Haftpflichtversicherungsvertrages zwischen dem Krankenhaus und der Haftpflichtversicherung. Daraufhin habe ich das Krankenhaus aufgefordert, eine eigene Erklärung abzugeben, worin es sich verpflichtet, meinem Mandanten zu 100 % auch alle immateriellen und materiellen Schäden zu ersetzen, die über die vertraglich vereinbarte Versicherungssumme hinausgehen.
Das Krankenhaus weigerte sich jedoch, eine eigene Erklärung abzugeben und verwies auf die Erklärung der Haftpflichtversicherung. Diese sei ausreichend.
Das Landgericht Dortmund hat entschieden: Der Kläger habe ein Interesse an der gerichtlichen Feststellung seiner Ansprüche, da die Schadensentwicklung noch nicht beendet sei. Er habe unter der Geburt einen Sauerstoffmangel erlitten und sei schwerst geschädigt. Er zeige keine Sprachentwicklung, sei nicht in der Lage, verbal zu kommunizieren, die motorische Entwicklung sei erheblich eingeschränkt. Er könne weder eigenständig noch mit Hilfe seiner Eltern stehen, gehen oder krabbeln. Es bestehe unzweifelhaft aufgrund der schweren Schädigungen die Möglichkeit, dass er als Folge der Behandlung im Laufe seines Lebens weitere materielle und derzeit nicht vorhersehbare immaterielle Beeinträchtigungen erleiden könne.
Die außergerichtlichen Erklärungen des Haftpflichtversicherers reichten nicht aus, um das Feststellungsinteresse gegenüber dem Krankenhaus entfallen zu lassen.
Die Erklärungen des Haftpflichtversicherers hätten die Unsicherheit, die dem Recht in der Rechtslage des Klägers bei einem Bestreiten durch das Krankenhaus drohe, nicht ausgeräumt. Die erste abgegeben Erklärung der Haftpflichtversicherung enthalte keine Höhe der Quote in Bezug auf die Einstandspflicht. Die Erklärung mache nicht deutlich, dass sämtliche Ansprüche des Klägers ab dem Behandlungsfehlerdatum umfasst werden würden. Auch die weitere Erklärung des Haftpflichtversicherers könne die Missstände nicht ausräumen. Die zweite Erklärung sei gegenüber der ersten Erklärung einschränkend, da sie eine Beschränkung der Haftung der Haftpflichtversicherung auf die vertragliche Haftsumme von 7,5 Millionen Euro beinhalte. Darüber hinaus beziehe sich die Erklärung nur auf Schäden, die aus der fehlerhaften Behandlung des Klägers entstanden seien.
Schäden, die möglicherweise schon durch die Versorgung der Mutter des Klägers im Hause der Beklagten am Tag zuvor entstanden seien, würden von der Erklärung nicht mit umfasst. Die im Vergleich zum ersten Anerkenntnis einschränkende zweite Erklärung sorge aufgrund mehrdeutiger Interpretationsmöglichkeiten für eine Unsicherheit des Klägers (OLG Hamm, Urteil vom 05.02.2020, AZ: 31 U 99/19, BeckRS 2020, 44669, Rdnr. 42). Die erste und inhaltlich umfassendere Erklärung könnte durch die zeitlich später erfolgte zweite Erklärung als inhaltlich eingeschränkt ausgelegt werden. Die Klärung in einem erneuten langwierigen Klageverfahren sei dem Kläger nicht zuzumuten. Genau eine derartige Unsicherheit sollte durch die vom Kläger mehrfach geforderte klarstellende Formulierung vermieden werden.
(Landgericht Dortmund, Urteil vom 30.11.2023, AZ: 2 O 323/22)
Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht & Verkehrsrecht |