Nervschädigung durch zu langes Zahnimplantat: 8.000 Euro
01.04.2022
Die 1955 geborene Angestellte erhielt 2016 im linken Unterkiefer in den Regiones 44 und 47 jeweils 11 mm lange Comlog-Implantate. Nach Implantation erfolgte eine Panoramaschichtaufnahme. Auf dieser Aufnahme war erkennbar, dass sich die Spitze des Implantats in der Region 47 auf den Canalis alveolaris inferior projizierte. Nachdem die Leitungsänästhesie ihre Wirkung verloren hatte, stellte die Mandantin fest, dass ihr Kinn rechts weiter wie betäubt war. Sie stellte sich mehrfach wegen Sensibilitätsstörungen im Bereich der Zunge und der Lippe vor. Die Schmerzen und Taubheitsgefühle mit Kribbeln verblieben jedoch. Die in einer Universitätsklinik gefertigte digitale Volumen-Tomographie (DVT) ergab eine Nervenkompression im Bereich des Implantates 46. Ich hatte der Zahnärztin vorgeworfen, beide Implantate in den Regionen 44 und 47 fehlerhaft eingebracht zu haben. Die Beklagte habe keine Röntgenaufnahme mit einem Röntgenreferenzobjekt zur Bestimmung des vertikalen Knochenangebots im Unterkiefer vor der Implantation gefertigt. Sie habe lediglich auf ein mitgebrachtes altes Röntgenbild der Mandantin zurückgegriffen. Eine hinreichende Befunderhebung sei vor der Implantation grob fehlerhaft unterlassen worden. Die Implantate seien zu lang. Aufgrund der Insertion der zu langen Implantate sei es zu einer direkten mechanischen Irritation bzw. Durchtrennung des Nervus alveolaris inferior gekommen. Auch die Nachbehandlung sei fehlerhaft erfolgt. Der gerichtliche Sachverständige hatte bestätigt: Es widerspräche dem zahnärztlichen Facharztstandard, 11 mm lange Comlog-Implantate einzubringen, ohne sicherzustellen, dass diese nicht einen Nerven tangierten. Die Berechnung vor der Implantation sei fehlerhaft gewesen. Die fehlerhafte präoperative Befunderhebung habe dazu geführt, dass der Patientin zu lange Implantate eingesetzt worden seien. Die gewählte Länge mit 11 mm sei völlig falsch. Die Nachuntersuchung sei fehlerhaft gewesen, weil die Zahnärztin eine dreidimensionale radiologische Untersuchung zur Bewertung der Nervverletzung unterlassen habe. Es hätte dann Veranlassung bestanden, die Implantate zu entfernen. Die Kammer war davon überzeugt, dass die Mandantin erheblich in ihrem Alltag eingeschränkt war, indem sie beim Essen und Trinken, beim Zähneputzen, Schminken, Streicheln, Sprechen und auch Küssen Schmerzen empfinde. Insbesondere leide sie beim Essen von kalten und warmen Speisen an starken Schmerzen. Die Missempfindungen im Kinn- und Lippenbereich führten auch zu psychischen Leiden, weil sie durch die Missempfindungen häufig das Gefühl habe, dass ihr Speisen aus dem Mund laufen würden. Bei der Höhe des Schmerzensgeldes sei zu berücksichtigen, dass weitere Operationen auch in Zukunft erforderlich sein würden, um das zu lange Implantat zu entfernen und neuen Zahnersatz einzusetzen. (Landgericht Wiesbaden, Urteil vom 17.02.2022, AZ: 2 O 667/20) Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht & Verkehrsrecht |