Beinamputation nach OP: 250.000 Euro
01.10.2019
Der 1988 geborene Angestellte hatte Probleme, sein rechtes Bein anzuwinkeln. Er hatte allerdings weder Schmerzen beim Sport noch beim Gehen. Nach klinischer Untersuchung teilte der Chirurg mit, er könne keinen auffälligen Befund feststellen und veranlasste eine Röntgenaufnahme. Da er die Bildgebung nicht einordnen konnte, veranlasste er eine Kernspintomographie des rechten Kniegelenkes mit Kontrastmittel. Es zeigte sich eine 8,0 x 2,1 x 2,8 cm große inhomogene Raumforderung am hinteren Oberschenkel. Der Arzt teilte dem Mandanten mit, es handele sich um nichts Bösartiges. Es sei wohl eine atypische Bakerzyste. In einem ambulanten Eingriff versuchte er, das Tumorgewebe zu entfernen und trennte das Gewebe vom Knochen. Dadurch bildete sich ein massiver Bluterguss, der sich über das gesamte rechte Bein verteilte. Die Pathologie des entfernten Materials bestätigte allerdings - entgegen der Einschätzung des Chirurgen - ein bösartiges Krebsleiden (parossales Osteosarkom des hinteren Oberschenkelknochens). Nachdem die Ärzte einer Universitätsklinik Monate später noch versuchten, Reste des vom Chirurgen nicht entfernten bösartigen Tumors aus der Kniekehle zu entfernen, musste nach weiteren Operationen zwei Jahre später wegen der Aggressivität des Tumors das rechte Bein bis kurz vor dem Hüftknochen amputiert werden. Ich hatte dem Chirurgen mit einem Privatgutachten vorgeworfen, grob fehlerhaft vor der Operation der Kniekehle nicht abgeklärt zu haben, ob es sich um einen gut- oder bösartigen Tumor handelte. Eine atypische Bakerzyste sei vor der Operation auszuschließen gewesen, weil der Arzt selbst bei einer Sonographie keine Zyste dokumentieren konnte. Aufgrund der eindeutigen bildgebenden Befunde habe bereits vor der Operation der Verdacht eines Knochentumors mit möglicher Bösartigkeit bestanden. Ob der Tumor bösartig war, hätte vor der Operation zwingend durch eine Biopsie abgeklärt werden müssen. Die Diagnose einer Bakerzyste sei völlig unvertretbar und abwegig gewesen, weil die MRT-Bilder nicht die geringste pathologische Veränderung des Kniebinnenraums gezeigt hätten. Die vom Chirurgen veranlasste Röntgenaufnahme zeige eindeutig eine Knochenwucherung. Es sei daher grob fehlerhaft gewesen, die Operation am rechten Knie überhaupt durchzuführen. Die chirurgische Resektion selbst sei ebenfalls grob fehlerhaft gewesen. Dem Arzt sei offensichtlich keine vollständige Entfernung des Tumors mit ausreichendem Sicherheitsabstand zum gesunden Gewebe gelungen. Durch den von ihm verursachten Bluterguss hätten sich im gesamten rechten Bein die Krebszellen im Gewebe weiter ausbreiten können und eine hämatogene Metastasierung verursacht. Weil der Arzt den Tumor nicht im Gesunden entfernt habe, seien mehrere Revisionsoperationen erforderlich gewesen. Bei richtiger Behandlung des parossalen Osteosarkoms des Oberschenkelknochens hätte das rechte Bein nicht amputiert werden müssen. Nach vorheriger Biopsie wäre die Raumforderung kurze Zeit später vollständig im Gesunden chirurgisch zu entfernen gewesen. Für die Amputation des rechten Beines nahe des Hüftgelenks, der erheblichen Verschlimmerung des gesundheitlichen Zustandes durch die Diagnoseverzögerung und die noch kommenden Leiden aufgrund der Beinprothese habe ich ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 100.000 Euro geltend gemacht (vergleichbare Urteile: OLG Hamm, Urteil vom 28.10.2002, AZ: 3 U 200/01; OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.08.2013, AZ: 1 U 68/12). Darüber hinaus umfasste der Abfindungsvergleich sämtliche Zukunftsschäden, die noch aufgrund der Amputation des rechten Beines auftreten können. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Mandant nach Anpassen der elektronischen Beinprothese wieder regelmäßig arbeiten geht und bisher ein Verdienstschaden nicht erkennbar war. Die Haftpflichtversicherung des Chirurgen hatte eingewandt, selbst wenn ein grobes Fehlverhalten des Chirurgen vorgelegen habe, hafte auch die Radiologische Praxis, die das vor der ersten Operation angefertigte MRT des Kniegelenkes falsch ausgewertet habe. Es sei zudem völlig offen, ob bei einem richtigen Vorgehen des Arztes die Amputation des Beines hätte vermieden werden können. Ein Rezidiv des Tumors sei jederzeit möglich. Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht
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