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Tupfer bei Gebärmutterspiegelung vergessen: 4.000 Euro

20.01.2021

Nach stationärer Aufnahme führte eine Assistenzärztin eine diagnostische Hysteroskopie durch und entnahm zwei Endometriome durch. Vor Entlassung aus der stationären Behandlung wurde die Mandantin mit einer Ultraschallsonde vaginal untersucht, um festzustellen, ob Flüssigkeit in der Gebärmutter vorhanden war.

Seit der Operation litt die Mandantin unter einem leichten, permanenten Ziehen im Unterleib. Einen Monat später wurden die Schmerzen stärker, es kamen Übelkeit und Krämpfe hinzu. Anschließend waren die Krämpfe so stark, dass die Mandantin dachte, sie würde eine Fehlgeburt erleiden und Wehen würden einsetzen. Nach einer guten 3/4 Stunde presste sie einen pflaumengroßen Mulltupfer aus ihrer Vagina heraus. Dieser Tupfer war bei der Operation nach der Desinfektion der Vagina vergessen und auch bei den postoperativen Untersuchungen übersehen worden war. Nach Auspressen des Tupfers ging es der Mandantin besser.

Ich hatte der Operateurin vorgeworfen, bei der Hysteroskopie grob fehlerhaft am Ende der OP den pflaumengroßen Mulltupfer mit röntgendichtem Faden im Unterleib der Mandantin vergessen zu haben. Die Zählkontrolle nach der OP und das anschließende Belassen des Mulltupfers seien grob fehlerhaft und unverständlich gewesen. Das Zurücklassen eines Fremdkörpers im OP-Gebiet werde dem voll beherrschbaren Bereich des Arztes bzw. der Klinik zugerechnet (OLG München, Urteil vom 22.08.2013, AZ: 1 U 3971/12).

Es sei in keinster Weise nachzuvollziehen, wie bei einer ordnungsgemäßen Zählkontrolle nach der OP ein derartig großer Mulltupfer im Körper der Patientin zurückgelassen worden sei. Goldstandard der Kontrolle von in den Körper eingebrachten OP-Materialien sei das Zählverfahren nach dem 4-Augen-Prinzip. Alle Materialien, die intraoperativ eingesetzt würden, müssten prä- und intraoperativ benannt, gezählt und dokumentiert werden. Bei einem ordnungsgemäßen Nachzählen der eingebrachten Mulltupfer und einer ordnungsgemäßen postoperativen Nachkontrolle wären die Komplikationen einen Monat später zu vermeiden gewesen.

Nach außergerichtlichen Verhandlungen hat sich die Haftpflichtversicherung des Krankenhauses bereit erklärt, eine Gesamtabfindung auf das Schmerzensgeld von 4.000 Euro und meine außergerichtlichen Gebühren (2,0-Geschäftsgebühr und 1,5-Vergleichsgebühr) zu zahlen.

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht & Verkehrsrecht

 
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