Vorderes Kreuzband falsch eingesetzt: 25.000 Euro
21.12.2020
Die Ärzte führten eine arthroskopisch assistierte vordere Kreuzbandplastik mit Semitendinosus- und Gracilissehne in sogenannter 4-fach-Technik durch. Nach der Operation konnte der Mandant das Kniegelenk nicht beugen und strecken. Bei längerer Belastung überwärmte das Kniegelenk und schwoll an. Trotz umfangreicher Physiotherapie ließen sich die Beschwerden nicht bessern. In einem Nachfolgekrankenhaus wurde festgestellt, dass das vordere Kreuzband fehlerhaft positioniert worden sei. Die Ärzte entfernten das vordere Kreuzband, bohrten die Befestigungsschraube aus dem Schienbein, entfernten die intraossären Bandreste und füllten den Bohrkanal mit eigenem Knochen aus dem linken Beckenkamm auf. Das gleiche Prozedere wurde am linken Oberschenkel durchgeführt. Bis zur Ausheilung der Bohrkanäle musste der Mandant rund sechs Monate ohne vorderes Kreuzband leben. Das linke Kniegelenk war instabil und schmerzhaft. Die Revisionsoperation wurde erfolgreich durchgeführt. Das linke Kniegelenk ist nicht mehr überwärmt und fühlt sich stabil an. Beugung und Streckung sind wieder hergestellt. Es verblieb ein leichtes knirschendes Geräusch beim Strecken. Ich hatte den Operateuren vorgeworfen, die vordere Kreuzbandersatzplastik fehlerhaft eingesetzt zu haben, indem intraoperativ die Kanäle fehlerhaft gebohrt worden seien. Hierdurch sei es zu einer Fehlplatzierung des Kreuzbandimplantates gekommen, was zu der 15-monatigen Streck- und Beugehemmung des linken Kniegelenkes mit zweimaliger Revisionsnotwendigkeit geführt habe. Der gerichtliche Sachverständige hatte bestätigt: Die Funktionstüchtigkeit des vorderen Kreuzbandersatzes hänge davon ab, dass in etwa eine Isometrie gegeben sei. Die Entfernung des tibialen und femoralen Ansatzpunktes des Bandes müsse über den Bewegungsumfang des Gelenkes konstant bleiben. Es komme deshalb auf eine relativ genaue Wahl dieser Punkte an. Die korrekte Platzierung des femoralen und tibialen Bohrkanals müsse im Bereich der anatomischen Ursprungsstellen gesetzt werden. Nur so könne ein Transplantats-Impingement, ein permanentes Ausdehnen des Transplantates, eine Drucküberlastung des Knies mit Bewegungseinschränkung und die Entstehung einer Arthrofibrose (Verwachsungsknie) vermieden werden. Der häufigste Fehler sei ein ober- und/oder unterschenkelseitig zu weit vorne platzierter Bohrkanal. Eine Abweichung von mehr als 20 % der Länge der Blumensaatlinie bzw. von maximal einem Quadranten (6 mm) werde als Fehlplatzierung betrachtet. Die Operateure hätten beim Mandanten die Kreuzbandplastik oberschenkelseitig im zweiten Viertel der Blumensaatlinie von vorne eingebracht. Dies läge erheblich zu weit vorne. Für ein weiteres Überschreiten der Grenze des Vertretbaren spräche die Tatsache, dass der Nachoperateur auf eine oberschenkelseitige Auffüllung des Bohrkanals verzichten konnte, weil eine korrekte Neuanlage in ausreichendem Abstand von dem fehlplatzierten Bohrkanal erfolgen konnte. Der Operateur habe bei der Erstoperation den oberschenkelseitigen Insertionsort fehlerhaft gewählt. Durch diesen Fehler sei die Funktion des vorderen Kreuzbandersatzes und damit die Kniefunktion eingeschränkt gewesen. Diese fehlerhaft bedingte Funktionseinschränkung sei Ursache der Nachoperationen mit Knochenentnahme aus dem Beckenkamm und neuer vorderer Kreuzbandplastik gewesen. Als Grunderkrankung des Mandanten hätten allerdings bereits zum Zeitpunkt der ersten Kreuzbandplastik Knorpelschäden vorgelegen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre auch bei einem ordnungsgemäßen und behandlungsfehlerfreien Vorgehen ein Knorpelschaden nicht vermieden worden. Zur endgültigen Abfindung habe ich mich für den Mandanten auf einen Gesamtbetrag von 25.000 Euro geeinigt. (Landgericht Bochum, Vergleichsbeschluss vom 19.11.2020, AZ: I-6 O 232/19) Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht & Verkehrsrecht |