Spender bei künstlicher Befruchtung verwechselt: 7.500 Euro
30.05.2018
Die 1974 geborene Angestellte lebte in gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaft. Im Mai 2006 erfolgte in der Kinderwunschpraxis eine künstliche Befruchtung, wobei als Spender eine Nummer mit einem ok-Vermerk dokumentiert wurde. Im Jahre 2007 wurde die Tochter der Mandantin geboren. Mitte und Ende 2007 führte die Mandantin mit den Ärzten Gespräche wegen einer weiteren Insemination. Das zweite Kind sollte vom selben Spender stammen. Nach erfolgreicher heterologer Insemination wurde 2009 der Sohn der Mandantin geboren. Später stellte sich heraus, dass der Sohn nicht von demselben Spender abstammte, von dem die Tochter abstammte. Die Mandantin hatte den Ärzten vorgeworfen: Neben der gewünschten Vollgeschwistereigenschaft sei Voraussetzung gewesen, dass der Spender eine bestimmte Blutgruppe habe und nicht anonym sein sollte. Es sei bewiesen, dass der erste Spender im Jahre 2006 nicht diese Blutgruppe besessen habe. Aus der jetzigen Blutgruppe der Tochter ergebe sich, dass der Spender eine andere Blutgruppe gehabt haben müsse. Die beklagten Ärzte hätten grob fehlerhaft bei der heterologen Insemination im Jahre 2008 die Spender verwechselt. Seit dieser Mitteilung leide sie unter wiederkehrenden depressiven Episoden. Das Landgericht Münster hatte mit Urteil vom 07.01.2016 (AZ: 111 O 83/14) die Ärzte verurteilt, ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.500 Euro zu zahlen. Die Pflichtverletzung sei darin zu sehen, dass entgegen der vertraglichen Absprache die beiden Kinder nicht von demselben Spender abstammten und somit keine Vollgeschwister seien. Nach der Beweisaufnahme stünde fest, dass bei der Mandantin seit 2011 psychische Beschwerden, Depressionen und Überlastungsgefühle bestünden. Das Gericht sei überzeugt, dass bei der Mandantin eine große Enttäuschung, Hilflosigkeitsgefühle und subjektive Schuldgefühle gegenüber ihren Kindern für die Verwechslung aufgekommen seien und diese Depression und Überlastungsgefühle hervorgerufen hätten. Die Kinder hätten gegenüber den Ärzten einen Anspruch auf Auskunft über die Identität ihres wahren genetischen Vaters. Bei Kindern, die durch künstliche heterologe Insemination gezeugt worden seien, folge der Anspruch aus § 242 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 28.01.2015, AZ: XII ZR 201/13). Es bestünde ein konkretes Bedürfnis des Kindes an der Information über die Identität des Samenspenders. Soweit das Kind nicht selbst tätig werde, müsse der Auskunftsanspruch durch die Eltern als gesetzliche Vertreter im Interesse des Kindes geltend gemacht werden. Für die Kinder streite das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Der Auskunftsanspruch des Kindes nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG habe Vorrang gegenüber der nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit der Ärzte und den möglicherweise nach Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Rechten der Spender, deren Anonymität zugesichert worden sei (vgl. BGH, a.a.O.). Die Berufung der Ärzte hat das Oberlandesgericht Hamm am 15.01.2018 zurückgewiesen: Die von der Mandantin geltend gemachten und vom Landgericht zugrunde gelegten körperlich-psychischen Auswirkungen des Behandlungsfehlers - die abredewidrige Insemination mit nicht vom identischen Spender stammendem Sperma - betrafen die Mandantin selbst. Dieses Geschehen habe ausweislich der Aussage der Psychologin zu einer Langzeittherapie mit 100 Therapiesitzungen geführt. Das Schmerzensgeld in Höhe von 7.500 Euro sei deshalb nicht zu beanstanden. Den Kindern stünde auch der vom Landgericht zugesprochene Auskunftsanspruch zu. Der Senat verweise auf die zutreffenden Entscheidungen des Oberlandesgerichts Hamm (Urteil vom 06.02.2013, AZ: 14 U 7/12) und die BGH-Entscheidung (Urteil vom 20.01.2015, AZ: VII ZR 201/13). (OLG Hamm, Urteil vom 15.01.2018, AZ: 3 U 66/16) Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht
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