Hodentorsion bei Baby nicht erkannt: 13.500 Euro
22.06.2020
Bei dem 2019 geborenen Mandanten fiel bereits wenige Stunden nach seiner Geburt ein geschwollener Hodensack auf. Die Assistenzärztin dokumentierte, beide Hoden seien deszendiert (Lageanomalie des Hodens), der rechte Hoden sei vergrößert und deutlich verhärtet. Der von ihr befragte Neonatologe (Facharzt für Neu- und Frühgeborene) hielt eine sofortige Vorstellung des Kindes nicht für notwendig. Der Junge solle weiter beobachtet werden, erst bei Verfärbung des rechten Hodens oder Schmerzen solle er erneut untersucht werden. Gut zwei Stunden später dokumentierte ein weiterer Arzt, der rechte Hoden sei nicht livide (bläulich) verfärbt, eine Schmerzempfindung bestünde nicht. Gut drei Stunden später wurde der rechte Hoden mit einer Taschenlampe durchleuchtet. Es zeigte sich eine Verfärbung. Eine farbkodierte Duplex-Sonographie des Hodensacks (Skrotum) ergab eine vergröberte Binnenstruktur des rechten Hodens mit aufgetriebenem Nebenhoden. Sowohl der Hoden als auch der rechte Nebenhoden waren nicht durchblutet. Der linke Hoden war unauffällig. Zwei Stunden später wurde der Mandant unter der Diagnose Hodentorsion rechts operiert. Nach Freipräparation zeigte sich ein dunkler nekrotischer Hoden, der um 360 Grad gegen die Uhr torquiert war (Verdrehung des Hodens am Samenstrang um seine Längsachse, wodurch die Blutgefäßé abgeschnürt werden, die den Hoden versorgen). Die Operateurin nahm eine sofortige Detorsion (Zurückdrehen des Hodens am Samenstrang) vor und lagerte den Hoden in einer feucht-warmen Kompresse. Der Hoden wurde pexiert (operative Fixierung des Hodens im Hodensack). Nach stationärer Entlassung und ambulanter Vorstellung stellte sich heraus, dass der rechte Hoden nicht mehr durchblutet und abgestorben war. Ich hatte den Ärzten der Klinik vorgeworfen, nicht umgehend bereits in der Nacht der Geburt auf die Beobachtungen der Assistenzärztin reagiert zu haben. Es sei lediglich eine mündliche Besprechung des Befundes mit dem diensthabenden Neonatologen erfolgt. Dieser habe fehlerhaft die sofortige Vorstellung des Kindes nicht für notwendig gehalten. Die Operation sei sieben Stunden zu spät ausgeführt worden, so dass sich die Nekrose des rechten Hodens ausbilden konnte. Ich habe für das Absterben des rechten Hodens ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 15.000 Euro geltend gemacht (OLG Köln, Urteil vom 23.01.2002, AZ: 5 U 85/2001 = 18.000 Euro; OLG Brandenburg, Urteil vom 15.09.2010, AZ: 12 U 232/2009). Die Klinik sollte zudem schriftlich bestätigen, dass sie für sämtliche Zukunftsschäden aufkomme. Die Eltern hatten berechtigterweise die Befürchtung, dass es bei einer künftigen unfall- oder krankheitsbedingten Schädigung auch des linken Hodens zu einer Zeugungsunfähigkeit ihres Sohnes kommen könne. Mit der Klinik konnte im Rahmen von Vergleichsverhandlung erreicht werden, dass ein Schmerzensgeld in Höhe von 13.500 Euro für den Verlust des rechten Hodens gezahlt wurde. Sie hat sich ebenso verpflichtet, sämtliche Zukunftsschäden mit der Wirkung eines gerichtlichen Feststellungsurteiles zu übernehmen. Sie übernahm auch meine kompletten außergerichtlichen anwaltlichen Gebühren. Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht |