Falsche Implantate: 5.204,36 €
17.06.2013
Die am 28.08.1954 geborene Mandantin ließ sich von der Beklagten in Zusammenarbeit mit einem weiteren Zahnarzt am 16.01.2004 fünf Implantate in Ober- und Unterkiefer einsetzen. Die Mandantin rauchte zum damaligen Zeitpunkt 40 Zigaretten täglich, litt unter chronischer Paradontitis mit Knocheneinbrüchen und Zahnlockerungen. Nachdem die Zahnärztin im August 2008 horizontalen Knochenabbau an den Implantaten 16, 17, 26 und 27 festgestellt hatte, bildeten sich tiefe Taschen in regio 14 und 15. Im September 2008 suchte sie eine Zahnklinik auf, wo ihr sämtliche Implantate außer 16 und der Zahn 14 gezogen wurden. Der gerichtliche Sachverständige kam zu dem Ergebnis, die Inserierung von 6 Implantaten im Januar 2004 sei grob behandlungsfehlerhaft gewesen. Nach einer aufwändigen Paradontalbehandlung, bei der insbesondere auch oralchirurgische Maßnahmen mit Knochenersatzmaterial vorgenommen werden, müsse zwingend eine gewisse Wartezeit eingehalten werden. Es müsse dem Gewebe Gelegenheit gegeben werden, zu verheilen. Andererseits bestehe die Notwendigkeit der Re-Evaluation des Ergebnisses der Paradontalbehandlung. Es sei falsch gewesen, bereits 10 Tage nach Extraktion der natürlichen Zähne und nicht abgeschlossener Paradontalbehandlung die Implantate zu setzen. Gerade wegen des Zigarettenkonsums der Mandantin (40 Zigaretten pro Tag) und der ausgeprägten Paradontalbehandlung sei von Anfang an die Behandlung mit erheblichen Risiken behaftet gewesen. In der Folgezeit sei die weitere Paradontitisbehandlung nicht fachgerecht durchgeführt worden. Es seien notwendige weitergehende Untersuchungen unterlassen worden. Die Beklagte habe keine Röntgenkontrollaufnahmen gefertigt, ebenso keine Messung der Taschentiefen. Ab 28.032006, als schon beginnender Knochenabbau zu erkennen war, seien Röntgenbilder gefertigt worden. Diesen Knochenabbau habe die Beklagte nicht erkannt. Nach Ausführungen des Sachverständigen habe die Zahnärztin nach dem Setzen der Implantate die weitere Behandlung in schlechterdings unverständlicher Weise fortgeführt. Sie habe trotz der bekannten schweren Paradontitis keine weiteren Schritte ergriffen, um den Fortgang der Erkrankung zu beobachten. Auf den Röntgenbildern habe sie den Knochenabbau nicht bemerkt. Sie hätte aber weitere Befunde erheben müssen, um den evidenten Verdacht auf eine fortschreitende Paradontitis zu überprüfen. Die Mandantin sei auch nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Gerade weil die Mandantin starke Raucherin sei und unter Paradontitis litt, hätte die Ärztin die Mandantin über Behandlungsalternativen und Risiken aufklären müssen. Die Beklagte selbst habe eingeräumt, sich nicht an einer Aufklärung über die spezifischen Gefahren bei vorbestehender Paradontitis erinnern zu können. Über die Möglichkeit fester Brücken habe sie die Mandantin nicht aufgeklärt. Durch die grob behandlungs- sowie Aufklärungsfehlerhafte Behandlung sei der Mandantin auch ein Schaden entstanden. Das Setzen der Implantate war ein rechtswidriger Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit. Die Mandantin habe nach eigenen Angaben im Haupttermin aufgrund der Implantate im weiteren Verlauf aber keine Schmerzen erlitten. Dass ihr durch die unzureichende Paradontalbehandlung ein weiterer immaterieller Schaden entstanden ist, sei nicht nachweisbar. Vor diesem Hintergrund sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000 Euro ausreichend. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte sie sich nicht der Inserierung von Implantaten in den Kieferknochen unterzogen. Die Mandantin habe in jedem Fall eine aufwendige Zahnbehandlung über sich ergehen lassen. Ebenso stünde der Klägerin ein Betrag in Höhe von 1.200,00 € für ein außergerichtliches Gutachten eines privaten zahnärztlichen Sachverständigen zu. Die Beauftragung eines vorgerichtlichen Gutachters sei im konkreten Fall zur zielgerichteten Rechtsdurchsetzung erforderlich gewesen. Sie sei als medizinische Laiin gezwungen gewesen, sachkundigen Rat einzuholen, um sachgerechte Anträge zu stellen. Die Gutachterkosten in Höhe von 1.200 Euro seien auch nicht übersetzt. Ebenso bildeten die vorprozessualen Rechtsanwaltsgebühren einen ersatzfähigen Schaden. Dem Feststellungsantrag sei stattzugeben, da nachhaltige Schäden des Kieferknochens durch die Paradontitis nicht vollkommen fern lägen. Darüber hinaus seien auch die Kosten der Nachbehandlung ein ersatzfähiger Schaden, der bisher nicht geltend gemacht worden sei. (Landgericht Essen, Urteil vom 08.05.2013, AZ: 1 O 260/11) Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht
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