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Dauerschmerz nach Hernien-OP: 9.500 Euro

31.08.2015

Der am 13.12.1973 geborene Angestellte litt unter Leistenhernien auf der rechten und linken Seite. Da die rechtssseitige Leistenhernie vordringlich zu versorgen war, weil die Schmerzsymptomatik stärker auftrat, rieten die Ärzte zu einem Rekonstruktionsverfahren nach Shouldice. Dabei handelt es sich um eine anatomische Rekonstruktion ohne die Einlage eines verstärkenden Netzes. Bei der Hernien-OP vom 26.03.2010 erfolgte am Ende der Operation der Verschluss der kräftigen Fascienränder fortlaufend in Shouldice-Technik (fortlaufende Vor- und Zurücknaht) mit 1 x 0-PDS-Fäden. Die Fascienränder wurden zu drei Schichten vernäht.

Seit der Operation litt der Mandant unter chronischen Schmerzen im Bereich der rechten Leiste. Eine Spritzentherapie mit Lokalanästhestika, die Einnahme von Novalgin und Opiaten blieb erfolglos. Nachdem er am 01.10.2013 in einem Nachfolgekrankenhaus erneut an der Leiste operiert wurde, war er beschwerdefrei. Aus dem OP-Bericht vom 01.10.2013 ergab sich, dass die Nerven ileoinguinalis und ileohypogastricus eingenäht waren und sich makroskopisch verdickt darstellten.

Der Mandant hatte gerügt, vor der Leistenbruchoperation in der Technik nach Shouldice (nicht minimal invasive OP-Methode) nicht über die echten Behandlungsalternativen der total extraperitonealen Hernioplastik (TEP) und der transabdominellen präperitonealen Hernioplastik (TAPP) aufgeklärt worden zu sein (OLG Koblenz, Urteil vom 15.10.2014, AZ: 5 U 976/13). Das OP-Verfahren nach Shouldice werde fast nur noch bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen angewandt und sei durch die modernen Verfahren mit Netzimplantation weitgehend verdrängt worden.

Die häufigste Komplikation sei bei der OP nach Shouldice eine Nervenverletzung in der Leistenregion. Die Häufigkeit von Nervenschäden sei mit 18 % anzunehmen. Bei der Leisten-OP in minimal invasiver TEPP/TEP-Technik ließen sich dauerhafte Nervenschäden fast vollständig vermeiden. Wäre ihm das nervenschonende Verfahren nähergebracht worden, hätte er sich gegen die durchgeführte OP nach Shouldice ausgesprochen und den minimal invasiven Eingriff gewählt, weil das Risiko eines erneuten Bruches trotz Leistenbruch-OP bei der TAPP und TEP-Technik gegenüber den Nahttechniken mit Schnitten in der Leistenregion äußerst gering sei.

Der Operateur hatte zugegeben, nicht über die unterschiedlichen Operationsverfahren aufgeklärt zu haben. Er sei davon ausgegangen, der Facharzt hätte das zuvor mit dem Patienten besprochen. Der gerichtliche Sachverständige hatte bestätigt: Auch im Jahre 2010 seien die endoskopischen Methoden wie TEP und TEPP soweit etabliert gewesen, dass man über sie aufklären musste. Seit dem Jahre 2000 seien die ersten Zahlen über den chronischen Leistenschmerz herausgegeben worden. Der chronische Leistenschmerz müsse in der Aufklärung angesprochen werden. Das Risiko eines chronischen Leistenschmerzes sei bei einer TEP-Methode etwas geringer als bei einer offenen Methode nach Shouldice. Über das Risiko des chronischen Leistenschmerzes sei nicht aufgeklärt worden. Besonderheiten beim Kläger, welche die Shouldice-Operation nahegelegt hätten, seien nicht ersichtlich.

(Landgericht Essen, Vergleich vom 16.06.2015, AZ: 1 O 97/14)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht

 
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