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Keimzelltumor in MRT übersehen: 3.000 Euro

07.03.2016

Der 1979 geborene Angestellte ließ am 08.09.2011 bei der Radiologin wegen Rückenbeschwerden ein Magnetresonanztomogramm (MRT) der Lendenwirbelsäule durchführen. Befundet wurde ein flacher Prolaps in Höhe LWK 5/SWK 1, welcher die Nervenwurzel beidseits touchierte, ohne die Recessus zu verlegen. Im Oktober 2012 wurde der Mandant aufgrund eines Gewichtsverlustes von 8 kg in drei Monaten, Nachtschweißes und Rückenschmerzen stationär aufgenommen. Eine durchgeführte Computertomographie vom 16.10.2011 ergab eine deutliche Lymphknotenvergrößerung mediastinal, paraaortal und retrocaval. Dazu kamen pulmonale Rundherde beidseits. Eine mediastinale Lymphknotenentnahme zeigte eine Metastase eines malignen Keimzelltumors. Die Ärzte stellten die Diagnose eines extragonadalen Keimzelltumors. Eine Chemotherapie führte zu einer erheblichen Verbesserung der Schmerzen im Bauch- und Rückenbereich.

Zwei Gutachten der Gutachterkommission Westfalen-Lippe warfen der Radiologin vor, die MRT-Aufnahme vom 08.09.2011 grob fehlerhaft befundet und anschließend medizinisch zwingend notwendige Differenzialuntersuchungen unterlassen zu haben. Beide Sachverständige bestätigten, dass sich auf den Bildern zweifelsfrei vor der Wirbelsäule große Tumorknoten dargestellt hätten. Diese Befunde seien nicht beschrieben worden.

Die Beklagte habe es unterlassen, weitere medizinisch zweifelsfrei gebotene Befunde zu erheben. Die Konsequenz - auch des unklaren Befundes - wäre die zeitnahe Abklärung einer Verdachtsdiagnose zunächst mit Sonographie und ggf. Abdomen-CT gewesen. Bei entsprechender Durchführung dieser Untersuchungen wäre ein positives Befundergebnis in Form der grob knotigen Raumforderungen paraaortal, paracaval und interaortocaval hinreichend wahrscheinlich gewesen.

Dieses lasse sich - zulässigerweise ex post - nicht nur aus den MRT-Aufnahmen, sondern auch aus der Computertomographie des Thoraxes und des Abdomens vom 16.10.2011 und dem anschließenden pathologischen Gutachten vom 24.10.2011 ableiten. Die Diagnose extragonadaler Keimzelltumor wäre also zeitnah gestellt worden. Eine Nichtreaktion auf diesen Befund wäre grob behandlungsfehlerhaft gewesen. Es sei nicht gänzlich unwahrscheinlich, dass es durch die 5-wöchige Therapieverzögerung zu einer Prognoseverschlechterung seiner Erkrankung gekommen sei.

Nach Einholung eines radiologischen Sachverständigengutachtens im Prozess hat die Kammer folgenden richterlichen Hinweis erteilt: Auch das Gericht sähe einen Fehler in der Befundung der Aufnahmen vom 08.09.2011. Selbst wenn aber dieser Fehler unterstellt würde, verbliebe lediglich eine Behandlungsverzögerung vom 08.09.2011 bis 12.10.2011. Es sei äußerst fraglich, ob nicht bereits zu diesem Zeitpunkt eine Metastase vorhanden gewesen wäre (08.09.2011).

Zur Kausalität zwischen Behandlungsfehler und eingetretenem Schaden sei noch ein zusätzliches onkologisches Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben.

Nach Ansicht der Kammer hätte sich - dies auch aufgrund Erfahrungen aus anderen Prozessen - kein weiterer Schaden durch die nicht erkannte Krebserkrankung ergeben. Zu entschädigen seien deshalb lediglich die erlittenen Schmerzen in dem verzögerten Behandlungszeitraum.

Da der Sachverständige im Prozess lediglich einen einfachen Behandlungsfehler annahm, die Frage der Kausalität zwischen Behandlungsfehler und Schaden offen war, haben sich die Parteien auf einen Betrag in Höhe von 3.000 Euro geeinigt.

(Landgericht Dortmund, Vergleich vom 11.12.2015, AZ: 4 O 217/13)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht

 

 
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