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Verjährung nach Behandlungsfehler

Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt gemäß § 199 Absatz 1 BGB mit dem Abschluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.


Um Kenntnis gemäß § 199 Absatz 1 Nr. 2 BGB von einem Behandlungsfehler zu haben, müssen dem Patienten die Behandlungstatsachen positiv bekanntgeworden sein, welche – mit Blick auf den Behandlungsfehler – ein ärztliches Fehlverhalten und – mit Blick auf die Schadenskausalität – eine ursächliche Verknüpfung der Schadensfolge mit dem Behandlungsfehler bei objektiver Betrachtung nahelegen.


Die Kenntnis des Patienten muss sich auf die Grundzüge erstrecken, nicht auf medizinische Details. Dies setzt ein Grundwissen über den konkreten Behandlungsverlauf voraus, zu dem neben der Kenntnis der gewählten Therapiemethode gehört, dass der Patient die wesentlichen Umstände des konkreten Behandlungsverlaufes positiv kennt oder grob fahrlässig nicht kennt (BGH, Urteil vom 31.10.2000, AZ: VI ZR 198/99 = BGHZ 145, 358 – 366, Rdnr. 11; Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 05.06.2012, AZ: 4 U 159/11, Rdnr. 37; Landgericht Magdeburg, Hinweisbeschluss vom 15.03.2023, AZ: 9 O 1086/22).


Die Verjährungsfrist beginnt deshalb nicht zu laufen, bevor nicht der Patient als medizinischer Laie Kenntnis von allen Tatsachen erlangt oder grob fahrlässig nicht erlangt hat, aus denen sich ergibt, dass der Arzt vom üblichen ärztlichen Vorgehen abgewichen ist oder es versäumt hat, Maßnahmen zu treffen, welche den ärztlichen Standard zufolge zur Vermeidung oder zur Beherrschung von Komplikationen erforderlich gewesen wären (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 28.02.2020, AZ: 9 U 31/19).


An das Vorliegen einer grob fahrlässigen Unkenntnis des Patienten sind hohe Anforderungen zu stellen. Allein der negative Ausgang einer Behandlung genügt für die Annahme einer grob fahrlässigen Unkenntnis nicht (vgl. Grothe, in: MüKo, 9. Auflage, § 199, Rdnr. 32), so dass nicht allein auf den Zeitpunkt der Operation abgestellt werden kann.


Frühestens mit der kompletten Übersendung der Behandlungsunterlagen an den Patienten oder dessen Bevollmächtigten ergeben sich für den Patienten aller wesentlichen Umstände des Behandlungsverlaufs und solche Tatsachen, aus denen sich für ihn als medizinischen Laien ergibt, ob die behandelnden Ärzte von dem üblichen medizinischen Vorgehen, dem ärztlichen Standard, abgewichen sind bzw. Maßnahmen nicht getroffen haben, die nach dem Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich gewesen wären. Das gilt ebenso für gerügte Aufklärungsfehler (LG Magdeburg, a.a.O.).