Medizinischer Facharztstandard
Der medizinische Facharztstandard gibt Auskunft darüber, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus berufsfachlicher Sicht seines Fachbereichs zum Zeitpunkt der Behandlung vorausgesetzt und erwartet werden konnte. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zum Erreichen des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Praxis bewährt hat (BGH, Beschluss vom 23.02.2021, AZ: VI ZR 44/20; BGH, Urteil vom 24.02.2015, AZ: VI ZR 106/13, VersR 2015, 712, Rdnr. 7).
Welche Maßnahmen der Arzt in der jeweiligen Behandlungssituation ergreifen muss, richtet sich in erster Linie nach medizinischen Maßstäben, die der Tatrichter mit Hilfe eines Sachverständigen zu bestimmen hat. Das Gericht darf den medizinischen Standard nicht ohne eine entsprechende Grundlage in einem medizinischen Gutachten oder sogar entgegen der Ausführungen des Sachverständigen aus eigener Beurteilung heraus feststellen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Tatrichter ausnahmsweise selbst über das erforderliche medizinische Fachwissen verfügt und dies in seiner Entscheidung darlegt (BGH, a.a.O.). Will der Richter bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen, muss er zuvor den Parteien einen richterlichen Hinweis erteilen (BGH, a.a.O., BGH, Urteil vom 29.01.2019, AZ: VI ZR 113/17, BGHZ 221, 43, Rdnr. 32).